AGATA'S Menü 29.0
Wissmanns 29. Symphonie...eintauchen in eine andere Welt
Bericht: Sascha Perrone | Fotos: Sascha Perrone
- 23.05.2016 -
Jedes Mal wenn ich das Agata's betrete überkommt mich dieses ganz besondere Gefühl der Ruhe und Gelassenheit - es ist ein bisschen so, wie gute Freunde zu besuchen, denn ich fühle mich wie immer auf Anhieb rundum wohl. Zum einen ist dies natürlich der Atmosphäre geschuldet, gibt es doch nur ganz wenige Restaurants die es schaffen, durch Licht, Farben und Deko eine solch eine perfekte Harmonie zu erzeugen, das man das Gefühl hat man betritt eine andere Welt.
Zum anderen sind es die Menschen, die diesen Ort zu etwas ganz Besonderem machen: Die immer fröhliche Emiko Fukuzawa, stellvertretende Restaurantleiterin und verantwortlich für den Service. Sie hält stets ein Lächeln bereit und sorgt unaufdringlich und aufmerksam für das Wohl der Gäste.
Der nicht weniger gut gelaunte Roman Goldshteyn, seines Zeichens Restaurantleiter und der vielleicht beste Sommelier in Düsseldorf. Seine Art kann man nicht beschreiben, die muss man erleben. Genauso wie seine Weinbegleitungen, die jenseits vom Mainstream immer wieder besondere Momente ins Glas zaubern, mit denen man vorher meist nicht rechnet.
Dann natürlich die herzliche Gastgeberin Agata Reul, die mit ihrem Restaurant nicht nur den Namen teilt, sondern auch die Perfektion bis ins kleinste Detail, die man hier allgegenwärtig sieht und spürt.
Seit einigen Monaten ebenfalls mit dabei ist Andy Vorbusch, der sympathische Patissier des Jahres 2007, welcher mit seiner Erfahrung aus den 3-Sterne-Tempeln eine absolute Bereicherung ist und mit seinen unnachahmlichen Desserts die Gäste verzaubert.
Und dann wäre da natürlich noch Küchenchef Jörg Wissmann - für mich einer der zwei herausragenden Köche in Düsseldorf. Nach außen ist er bescheiden und zurückhaltend, denn seine Stärke liegt hinter den Kulissen, dort wo er den Taktstock in Händen hält und wie ein Komponist ein kleines Orchester dirigiert und seine Sinfonien erklingen lässt. Derzeit übrigens, mit dem Agata's Menü 29.0, seine folglich 29ste.
Der Vergleich mit einem Komponisten klingt für die meisten wahrscheinlich überspitzt und melodramatisch, aber ich finde, man muss es einfach mal so ausdrücken, denn genau das ist es, was hier täglich geschieht, jedoch nur von den wenigsten so wahrgenommen wird.
Eigentlich gehe ich ja bei meinen Berichten nicht bis in die kleinsten Details auf das Essen ein, sondern versuche immer das Gesamtpaket zu beschreiben - nach einem Gespräch mit einem guten Freund von mir möchte ich dies heute jedoch anders handhaben. Mit diesem Freund (ein Gerne-Esser, aber kein Food-Junkie) habe ich nämlich nach meinem Besuch im Agata's telefoniert und beiläufig vom Menü erzählt, woraufhin ich mir diese typischen Kommentare anhören durfte wie "Das sind doch nur viel zu teure Mini-Portiönchen von denen niemand satt wird!" oder "Da läuft der Kellner mit nem Stock im Arsch" oder "Da gibt's doch nur Froschschenkel" und und und.
Ich finde mit diesem, entschuldigt meine Ausdrucksweise, "Bullshit!" muss endlich Schluß sein - willkommen im 21. Jahrhundert!
Ich möchte aber wirklich niemanden Bekehren oder Missionieren oder gar Predigen, dass die Sterneküche die einzig wahre Küche ist - Nein, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Ich möchte einfach nur inspirieren und denen, die noch nie in einem Sternerestaurant essen waren, die "Unsicherheit" nehmen. Und vor allem möchte ich mit diesen Vorurteilen aufräumen, das es in Sternerestaurants stocksteif zugeht oder es nur wenig Essen für viel Geld gibt usw. - lasst euch doch einfach mal darauf ein, ihr werdet es nicht bereuen.
Was hier geboten wird ist schlicht und einfach die bestmögliche Qualität an Produkten, die durch handwerkliche Perfektion in eine hervorragende Kreation verwandelt werden.
Was dies für mich genau bedeutet beschreibt Jörg Wissmann's Menü - oder lasst es mich doch heute einfach mal Sinfonie nennen:
- Erster Satz -
US Prime Beef
Auf dem Teller sieht man sechs Produkte / Komponenten: Rindfleisch, Kalbschwanz, Mini Spargel, Eigelb, Radieschen und Pfifferlinge - dies ist zunächst die Grundlage.
Nun kommen wir zum eigentlichen Handwerk - das, worüber sich die meisten wahrscheinlich noch nie einen Gedanken gemacht haben, was aber letztendlich die Küche auszeichnet und zu etwas ganz besonderem macht. Denn die Produkte haben zwar eine TOP Qualität, aber sie werden ja nicht einfach nur auf den Teller gelegt. Das Rindfleisch ist als sog. Tataki zu sehen, ein Art der Zubereitung wie man sie vom japanischen Sashimi her kennt, also sehr dünn aufgeschnitten. Darauf und daneben gibt es dann den Mini-Spargel, welcher gepickelt wurde um ihm eine angenehme Säure zu verleihen. Der Kalbsschwanz ist nicht direkt zu sehen, denn er wurde mit einer Petersilien-Panko-Panade versehen. Dazu gibt es noch die hauchdünn aufgeschnittenen Radieschen und die akribisch geputzt und herausgearbeiteten, gebratenen Pfifferlinge. Bei dem Eigelb handelt es sich um ein Espuma, also eine Zubereitungsmethode bei der durch Verwendung von Gas eine Art Mousse entsteht. Dekoriert wird das Ganze noch mit Blüten.
Wenn man sich nun mal vor Augen führt, wie viele einzelne handwerkliche Arbeitsschritte nötig sind um diesen einen Teller, nebenbei bemerkt auch noch wunderschön, anzurichten, versteht man vielleicht die Besonderheit. Vor allem muss man ja im Vorfeld zunächst auf die Idee kommen, diese Komponenten mit einander so zu verwenden, dass ein harmonisches Gerichte dabei entsteht.
- Zweiter Satz -
Kohlrabi
In diesem Gang wurden vier Hauptkomponenten verwendet, wobei der Kohlrabi im Vordergrund steht. Hierbei möchte ich sofort einschieben, dass dieser Kohlrabi nichts mit dem zu tun hat, was meine Mutter früher mit einer hellen Sauce übergossen und zu Kartoffeln und Fleisch gereicht hat - dies hier ist der "absolute" Geschmack von Kohlrabi.
Zur Herstellung der Essenz wurden zunächst die Blätter im Ofen geröstet, um dem Sud die dunkle Farbe zu verleihen. Der Kohlrabi an sich wurde dann einen ganzen Tag lang bearbeitet, auf dem Salzbett und vor sich hin simmernd, bevor er abschließend reduziert und noch einmal mit Salz noch abgeschmeckt wurde. Der Bärlauch kommt in Form einer Krokette auf Basis einer Bechamel Sauce daher. Die Sommer-Zypressen und schwarze Knoblauch runden das Ganze geschmacklich ab.
- Dritter Satz -
Bretonische Makrele
Für diese Kreation wurden Bulot Schnecken, Poweraden, Kapern und Shiitake verarbeitet. Die Makrele kommt leicht säuerlich gebeizt daher und wird begleitet von der Powerade, einer italienischen Artischocke die hier auf französische Art zubereitet wurde. Dazu wurde aus den Shiitake ein Püree hergestellt, welches mit, aus der japanischen Küche stammenden, Bonito-Flocken abgeschmeckt wurde.
- Vierter Satz -
Zander
Der Zander wird begleitet von vier Komponenten: Sauer-Spitzkohl, Kombu, Ananas und Beurre Rouge. Den Spitzkohl hat Jörg Wissmann knapp drei Monate fermentiert, um ihm den nach Sauerkraut anmutenden Geschmack zu verleihen und somit eine Anlehnung an den Klassiker "Zander mit Sauerkraut" zu suggerieren. Für die Beurre Rouge wurde statt der klassischen Rotweinreduktion, der mit Zucker und Essig abgeschmeckte Tamarillo verwendet. Die Süße kommt von der Ananas, welche hierfür gedörrt wurde.
- Fünfter Satz -
Sorbet
Das Sorbet kommt mit drei Komponenten aus: Spargel, Leindotter Öl und Estragon. Und auch hier hat der Spargelgeschmack nichts mit dem zu tun, was man von zu Hause kennt, wenn die Stangen labberig verkocht auf dem Teller unter einem halben Liter Sauce Hollandaise versteckt liegen und man die holzigen Fäden gleich als Zahnseide verwenden kann - dies hier ist der reine Spargelgeschmack in seiner Perfektion.
Das Sorbet liegt übrigens auf einem Bett von Leindotter-Öl-Flan, welches noch gekrönt wird von einem Estragon-Kerbel-Frisee-Salat.
- Sechster Satz -
Salzwiesen Lamm
Wenn man überhaupt einen Gang hervorheben kann, dann wäre es für mich wohl dieser. Drei Stücke von Lamm; Rücken, Bries und Zunge, begleitet von den vier Komponenten Hijiki, Erbsen, Buttermilch und Zitronengras. Ich möchte hierbei wieder den enormen Arbeitsaufwand und das handwerkliche Können unterstreichen, z.B. bei den Erbsen. Neben den perfekten grünen Kullerchen die auf dem Teller zu sehen sind, wurden die Erbsenschalen getrocknet, um anschließend mit Grünem Tee ein Puder daraus herzustellen, welches als Basis auf dem Teller zu sehen ist. Die Buttermilch wurde einen Tag lang auf ein Tuch bzw. ein Sieb gegeben, um die Molke zu lösen. Übrig bleibt der kompakte Buttermilchgeschmack in einer tollen Konsistenz.
Der Lammrücken wird vor dem anbraten in Buttermilch eingelegt, um das Fleisch zarter zu machen und den "penetranten" Lamm-Geschmack ein wenig abzufangen.
- Siebter Satz -
Exotik
Willkommen in der Patisserie - willkommen in der Welt von Andy Vorbusch. Für uns Normalos wahrscheinlich eine Welt, die viel zu komplex ist, um sie wirklich zu verstehen, aber trotzdem hochspannend und beeindruckend, wenn man berücksichtig, dass dieser Teller knapp 20 Komponenten enthält. Ich will diese gerne alle aufzählen, aber unterm Strich gilt es hier wohl, den süßen Abschluss mit dem nötigen Respekt gegenüber dem Handwerk zu genießen.
Zu sehen sind und verarbeitet wurden u.a.: Banane, Mango, Passionsfrucht, Papaya, Nashibirne, getrocknete Physalis, eine Creme aus Cocosnuss, schwarzer Vanille, Zitrusblüte und ein Mango-Papaya-Pfeffer-Sorbet.
- Achter Satz -
Gariguette Erdbeeren
Auch der endgültige Abschluss des Menü bringt eine wahre Geschmacksexplosion mit sich, wurden doch wieder unzählige Komponenten in harmonischen Einklang gebracht. Die aus Frankreich stammenden Erdbeeren begleitet von einem Holunderblüten-Sorbet und gebettet auf Milchreis, Nelke, Erdbeergel und Holunderblüten-Gelee.
Mein Fazit: Was ich hier heute genießen durfte und versucht habe zu beschreiben, ist auf dem "normalen" Level jenseits von 3-Sterne-Tempeln, wohl das, was man mit "Perfektion" beschreiben könnte. Aber diese handwerkliche Leidenschaft und Hingabe zu tollen Produkten ist nicht nur im Agata's so und dies ist auch nicht nur in der Sterneküche so.
Ich möchte heute einfach mal eine Lanze für all die Gastronomen und Köche brechen, die uns jeden Tag ihren Tisch decken und viele Gedanken, viel Kraft und viel Kreativität in die Menüs stecken und immer dann arbeiten, wenn die meisten Menschen frei haben und uns dadurch, unsere freie Zeit mit ganz vielen Genuss-Momenten versüßen.
Und ich fände es einfach schön, wenn wir alle diese Leistung zu schätzen wissen und dem Koch und seinen Kreationen einen angebrachten Respekt entgegenbringen - denn sie haben es verdient...
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